Ist Petrus uns gewogen?

Wir haben bereits einige Worte darüber veloren — das von Fliegern so gefürchtete Wetter, die Naturgewalt gegen die wir nur über sehr begrenzte Mittel verfügen. Wir dürfen durch Wolken fliegen (IFR — Instrumentenflug) aber wir können das nur sehr begrenzt tun, denn unterhalb von 0°C lagert sich dort Eis auf dem Flugzeug ab, was uns relativ schnell vor ein Problem stellen kann. Wir können unter, über, neben oder auch in den Wolken fliegen, sofern sie keine Vereisung verursachen. Bevor wir losfliegen, möchten wir also wissen ob wir eine gute Chance haben, unser Ziel wie geplant zu erreichen. Es wäre dumm, wenn wir unterwegs merken würden, dass wir wegen Vereisung umkehren oder den Kurs massiv ändern müssen. Generell fliegen wir nur los, wenn wir wissen, dass wir im Falle des Falles sicher landen können, also noch eine Handbreit klare Luft zwischen der Erde und der Wolkenuntergrenze haben. Nach unserer Zulassung benötigen wir nur 400m Sicht und 60m zwischen Wolken und Landebahn aber wir möchten nicht einmal in die Nähe dieser Wetterbedingungen für eine Landung kommen, das ist nur etwas für Piloten, die sehr oft fliegen und das trainieren.

Für Piloten gibt es ständig aktuelle Wettermeldungen, das sind Tatsachenberichte von Wetterstationen und die sind erwartungsgemäß verlässlich. Für jeden größeren Flugplatz ermittelt ein System alle 30 Minuten die aktuelle Sicht, Bewölkung, Temperatur, Taupunkt, Luftdruck etc. Das Wetter der Zukunft ermitteln die Metrolügen. Für Flieger gibt es wiederum Spezialwettervorhersagen, die sich nicht nur mit dem Wetter am Boden, sondern auch mit den Bedingungen in den höheren Luftschichten beschäftigen. Jeder weiß, dass Vorhersagen schwierig sind, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Bestimmte Wetterlagen sind gut vorhersagbar, andere fast gar nicht. Nebelbildung ist so ein Phänomen, von dem Meteorologen bis heute sehr wenig Ahnung haben, da es sehr von lokalen Gegebenheiten abhängt und diese in den großen Computermodellen nicht genau genug abgebildet werden. Unser Startplatz liegt sehr günstig was Nebel angeht, so dass wir dieses häufige Problem im Winter nur sehr selten antreffen. Ein nahe gelegener Flugplatz befindet sich praktisch das ganze Winterhalbjahr über im Nebel.

Ein paar grundsätzliche Dinge über das Wetter weiß der Privatpilot: Es gibt Tief- und Hochdruckgebiete. In Tiefdruckgebieten steigt die Luft auf, kondensiert aus, bildet Wolken und Regen bzw. Schnee. In Hochdruckgebieten sinkt Luft ab und stabilisert sich dabei, das gibt klaren Himmel. Hoch ist also gut und Tief ist schlecht. Noch schlechter sind Fronten, das sind Grenzen zwischen Luftmassen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Wir haben Kalt- und Warmfronten. Besonders Kaltfronten sind böse, denn sie bilden Gewitter, starke Schauer und reichen sehr hoch mit schön viel Vereisung. Durch eine Kaltfront möchten wir nicht fliegen, das ist nur etwas für Hasardeure. Auf obiger Karte vom Französischen Wetterdienst (ja, der schlaue Pilot sucht sich seine Informationen weltweit zusammen, denn anstatt eines vernünftigen Wetterdienstes in Europa haben wir zig mäßige von denen jeder sein Süppchen kocht) sehen wir das Wetter von heute 16:00 UTC (Greenwich Mean Time oder auch Koordinierte Weltzeit, die in der Fliegerei weltweit benutzt wird). Über Kroatien sehen wir eine Kaltfront (blau mit Zacken), die sich mit 15 Knoten nach Osten bewegt, nordwestlich davon ein Warmfröntchen (rot mit Halbkugeln), das nach Italien marschiert. Im Bereich einer Kaltfront erwarten wir Gewitter, prüfen wir das auf der aktuellen Blitzkarte nach (siehe rechts).

In der Tat, hier sind Gewitter und da haben wir nichts zu suchen. Aber die Front bewegt sich ja weg, bis morgen ist sie ein griechisches Problem (haben die nicht bereits genug?). Schauen wir einmal die Vorhersage für unseren Zielplatz Dubrovnik (LDDU) an, das sogenannte Terminal Aerea Forecast (TAF):

LDDU 131125Z 1312/1412 12017KT 9999 BKN040 TX10/1412Z TN04/1405Z TEMPO 1312/1321 RA BECMG 1322/1324 04015KT BECMG 1409/1411 18007KT

Etwas kryptisch aber um das lesen zu können gehen Piloten schließlich zum Theorieunterricht. Wir sehen dort, dass es heute (13. Februar) zwischen 12 Uhr Weltzeit und 21 Uhr Weltzeit (13-22 Uhr deutscher Zeit) regnen soll (RA). Ja, das passt zu dem was wir oben gesehen haben. Der Regen hört also um 22 Uhr auf und dann ist nur ein schwacher Wind (7 Knoten) aus Süden (180°) vorhergesagt. Alles was schlecht für uns wäre wie Gewitter, Regen, Schnee, Sturm stünde hier drinnen.

Jetzt noch ein Blick auf das TAF von unserem Startplatz Heubach (EDTH). Leider hat der Platz keine eigene Wetterwarte aber wir haben den großen Verkehrsflughafen Stuttgart direkt daneben (EDDS) und können dessen Vorhersage verwenden:

EDDS 131100Z 1312/1412 VRB03KT 9999 SCT040 PROB40 TEMPO 1312/1321 4000 -SN BR BKN014

Auch das sieht gut aus: wenig Wind (3 Knoten) aus wechselnder Richtung (VRB), gute Sicht, Wolkenfetzen in 4000 Fuß über dem Platz (1300m), mit 40%iger Wahrscheinlichkeit etwas Schnee und Nebel heute zwischen 13 Uhr Ortszeit und 22 Uhr Ortszeit und ein paar niedrige Wolken. Danach bis zum Ende der Vorhersage am 14. um 13 Uhr wieder gutes Wetter. Fantastisch.

Somit sieht es in A (Stuttgart) und in B (Dubrovnik) gut aus, aber was ist mit der Strecke zwischen A und B, immerhin 1000km? Hier hilft eine großflächige Vorhersage auf Basis des Global Forecasting Systems (GFS), das Wettermodell der USA, das im Unterschied zu den minderprächtigen europäischen Systemen frei zugänglich ist (in den USA gilt der Grundsatz, dass Daten und Ergebnisse, die mit Steuergeld erstellt wurden, prinzipiell vom Staat kostenfrei zur Verfügung gestellt werden müssen, da kann sich Europa eine Scheibe abschneiden). Hier eine schöne Darstellung unseres Flugprofils aus dem GFS für die geplante Flugzeit.

Das ist wirklich gut. Der gelbe Strich sind wir in Flugfläche 150 (15 000 Fuß, knapp 5 Kilometer). Unten ist das Relief mit den Alpen und der Meereshöhe in Dubrovnik schön zu sehen. Die rote gestrichelte Linie ist die Nullgradgrenze, die in Deutschland zur Zeit auf dem Boden liegt. Kurz nach der Hälfte sehen wir grün schattiert Gebiete mit mäßiger Vereisung (was in Wirklichkeit große Gefahr bedeutet), jedoch deutlich unter unserer geplanten Flughöhe. Dort sind auch Wolken angesagt aber keine geschlossene Formation, sondern "broken" (durchlöchert). Da werden wir einen Weg durch finden. Die Temperatur in unserer Flughöhe wird mit -19°C bis -22°C vorhgesagt, hoffen wir also dass die Heizung funktioniert und es kein Fehler ist, bereits mit Strandklamotten für Ägypten den Flieger zu besteigen.

Ein weiteres interessantes Bild ist das Infrarot-Satellitenfoto. Anhand einer Farbskala wird die Temperatur der Wolkenobergrenze dargestellt. Da wir für viele Punkte auf der Erde die aktuelle Temperatur kennen und ungefähr wissen wie sich die Luft mit zunehmender Höhe abkühlt (im Standardmodell sind dies 2°C pro 300 Meter), können wir daran ungefähr die Obergrenze der Wolken abschätzen und wissen, welche Wolken wir überfliegen können und welche wir entweder durchfliegen oder (uns viel lieber) umfliegen. Das ist immer ein aktuelles Bild, morgen wird sich das Zeugs wegbewegt haben, denn es hängt direkt mit der immer sehr hochreichenden Kaltfront zusammen.

Zusammengefasst: Kaiserwetter. Markus kann das Germanwings-Ticket für 39 €, das er sich vorsorglich gekauft hat, ungenutzt verfallen lassen.

Flugplanung

AirwaysWährend bei einem kleinen Rundflug über die Schwäbische Alb ein kurzer Blick in die Karte und den Wetterbericht meist genügt, ist die Flugplanung bei unserem Unterfangen etwas komplizierter: Das fängt damit an, dass wir auf unserem Flug von Süddeutschland nach Ägypten naturgemäß mehrere Landesgrenzen überfliegen und damit sind wir verpflichtet, einen sogenannten Flugplan aufzugeben. Darin muss die genaue Route, Zeit, Details zum Flugzeug und der Besatzung und einiges mehr angegeben und das ganze vor Flugbeginn an die Flugsicherung übermittelt werden. Das alleine ist kein Problem, denn Flugpläne sind auch für Flüge innerhalb Deutschlands möglich und jeder Pilot dürfte damit vertraut sein. Auch die Zollabfertigung, welche wir ebenfalls vorab anmelden müssen (denn wir reisen ja offiziell aus Schengen und der EU aus), ist in Deutschland noch problem- und kostenlos.

Kompliziert machen es die vielen zusätzlichen Faktoren: Während wir in Deutschland in einem Paradies für Privatpiloten mit gutem Kartenmaterial, einer Vielzahl öffentlicher Flugplätze, einem sehr verlässlichen Wetterdienst und mit der Deutschen Flugsicherung einem sehr professionellen Partner in der Luft leben, sieht das bereits auf der anderen Seite der Alpen ganz anders aus. In Griechenland ist das Fliegen auf Sicht (auch VFR für Visual Flight Rules genannt und die "übliche" Flugform für Privatpiloten) zwar noch möglich, aber Karten gibt es hierfür offiziell keine. Man muss sich also so irgendwie zurecht finden. In Ägypten ist der eigenverantwortliche Sichtflug gar nicht erst erlaubt, sondern nur der kontrollierte Sichtflug und Instrumentenflug, wie ihn auch die Airlines betreiben. Im Gegensatz zum Sichtflug kann man damit zwar durch Wolken fliegen und somit auch bei schlechtem Wetter sein Ziel erreichen, dafür ist man jedoch an die Anweisungen der Flugsicherung (ATC, Air Traffic Control) gebunden, die einem Höhe und Kurs in der vorgeben – Abweichungen vom vorgegebenen Kurs um zum Beispiel mal kurz über dem Haus eines Bekannten zu kreisen und winken sind damit nicht möglich. Schade, denn unsere Route wird uns direkt über die Pyramiden von Kairo führen.

Wir werden unseren Flug "IFR", also nach Instrumentenflugregeln durchführen, müssen aber trotzdem für alle Fälle vorbereitet sein (zum Beispiel eine Notlandung außerhalb eines Flugplatzes) – daher benötigen wir Kartenmaterial für Sicht- wie auch für Instrumentenflug inklusive diverser Anflugblätter für alle Flugplätze, die auf unserer Route prinzipiell für eine Landung in Frage kommen. Alles muss natürlich aktuell sein. Zum Glück haben wir diesen Trip nicht vor 5 Jahren gemacht, denn dann ginge bereits ein guter Teil unserer erlaubten Zuladung für ein ganzes Archiv an Papierkarten drauf. Nicht nur logistisch unpraktisch, sonder auch problematisch, wenn man im Ernstfall schnell das Blatt mit den Informationen für einen Flughafen braucht, auf dem man ursprünglich nicht geplant hatte zu landen (Alternate). Heuzutage hat man die Möglichkeit, das alles papierlos zu organisieren. Die Navigationsgeräte verfügen heute fast alle über sogenannte "moving maps" und zusätzlich werden wir auf zwei iPads alle benötigten Checklisten, Anflugblätter, IFR- und VFR-Karten digital mitnehmen. Durch die Tatsache, dass wir alles doppelt dabei haben, ist das Ausfallrisiko relativ gering.

Unsere "Standardroute" haben wir soweit bereits geplant. Sie führt uns beim Hinflug von unserer "Home Base" Heubach (bei Stuttgart) in südöstlicher Richtung über die Alpen, Österreich, Slowenien, Kroatien, Albanien, Griechenland und das offene Mittelmeer nach Ägypten. Aufgrund der Reichweite des Flugzeugs, Zollformalitäten (wir verlassen ja nicht nur die EU, sondern auch Schengenland), und aus Kostengründen (Flugbenzin ist in Ägypten sehr teuer, darum wollen wir möglichst wenig dort tanken) müssen wir einige Stops auf der Strecke einplanen. Der erste in Doubrovnik (Kroatien), der zweite in Sitia (Griechenland), der dritte zur offiziellen Einreise in Port Said (Ägypten) und dann von da zu unserem Zielflughafen, El Gouna am Roten Meer.

Für diese Route haben wir alle Karten bereit, die Öffnungszeiten und Benzinangebote am Platz geprüft und die Anflugprozeduren zumindest einmal gesehen. Jetzt müssen wir uns alternative Flugplätze für den Fall der Fälle überlegen und auch das Szenario vorbereiten, dass wir dorthin ausweichen müssen (z.B. wegen schlechten Wetters, der Revolution in Port Said, Streik in Griechenland, einem technischen Problem in der Luft, etc.).